- Norbert Ropers: Friedliche Einmischung. Strukturen, Prozesse und Strategien zur konstruktiven Bearbeitung ethnopolitischer Konflikte. (Berghof Report Nr. 1). Berghof Institut für konstruktive Konfliktforschung, Berlin 1995, S
2023
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Bei der herkömmlichen Konfliktmediation geht es grundsätzlich darum, einen Konflikt so zu lösen, dass alle Parteien den größtmöglichen Erfolg erzielen. Dabei soll diese Lösung mit Hilfe eines Mediators – sprich eines Vermittlers – von den Konfliktparteien selbst ausgehandelt werden. Dieser Prozess der Lösungsfindung und -aushandlung erfordert eine reibungslose Kommunikation zwischen den Konfliktparteien, sowie der dritten Partei. Diese kann durch kulturelle Unterschiede beeinflusst sein. Das meiste Wissen dazu entstammt der Interkulturellen Kommunikation.
Kultur kann beispielsweise in Anlehnung an Hall „als subjektives Phänomen, als eine Strukturierung des Fühlens, Denkens und Handelns“[5] verstanden werden.
Sie kann dabei einerseits der Auslöser oder Thema des Konfliktes sein, andererseits kann die Kommunikation im Lösungsprozess durch kulturelle Unterschiede oder den Einsatz von Kultur als Strategie beeinträchtigt sein.
Kulturelle Unterschiede, die eine Mediation beeinflussen können, sind:
Wenn Kultur, zum Beispiel in Form von gegensätzlichen Werten und Normen, Ursache, beziehungsweise Thema des Konfliktes ist, scheint es schwierig „gerechte Lösungen“ zu erarbeiten.
Ziel muss es dabei sein, Respekt und Verständnis für die Werte des jeweils anderen zu schaffen, indem man beispielsweise „übergeordnete Gemeinsamkeiten“ herausstellt. Verbietet beispielsweise ein Elternteil seinem Kind aus religiösen Gründen die Teilnahme am Schwimmunterricht, welcher aber aus Sicht der Lehrkraft verpflichtend ist, so kann für beide das übergeordnete Wohl des Kindes als Kommunikationsgrundlage dienen. Darauf aufbauend wird ein Verständnis für die unterschiedlichen Begründungen möglich.[6]
Kulturelle Unterschiede können zu „Kommunikationsstörungen und Missverständnissen“[7] führen, die einen Konflikt nach sich ziehen. Besonders Unterschiede in Sprache und nonverbalem Verhalten sind hier von Bedeutung. So können Gesten, wie Kopfschütteln oder ein hochgestreckter Daumen, in verschiedenen Kulturkreisen gegensätzliche oder unangebrachte Bedeutungen haben und somit zu Fehlkommunikationen führen. Allerdings muss man bedenken, dass Missverständnisse und bloße Unterschiede meist nicht ausreichen, um einen schwer lösbaren Konflikt hervorzurufen. Es sind vielmehr „Erfahrungen der Missachtung und Entwürdigung“ aufgrund asymmetrischer Verhältnisse, die zu anhaltenden Konflikten und einem Bedürfnis nach Rache führen.[8]
Es ist also wichtig, Konflikte nicht grundsätzlich auf Kultur zurückzuführen und Unterschiede zu betonen (Kulturalisierung). Stattdessen sollten andere Konfliktursachen und die Nutzung von Kultur als Strategie (s. u.) Beachtung finden. Bestehende Unterschiede können jedoch einen bestehenden Konflikt weiter verschärfen.
Kultur muss nicht unbedingt die Ursache für einen Konflikt sein, sondern kann auch Einfluss auf die Bearbeitung nehmen. Am offensichtlichsten wird das, wenn die Parteien keine gemeinsame Sprache sprechen, so dass eine Übersetzung notwendig wird. Ebenso kann dies im Bezug auf nonverbales Verhalten oder dem Umgang mit Emotionen nötig werden. Nur so wird das notwendige gegenseitige Verstehen möglich.
Weiterhin findet man, dass es im kulturellen Vergleich unterschiedliche Arten gibt, Konflikte zu sehen und mit ihnen umzugehen.
Diese Arten des Umgangs mit Konflikten werden meist vor dem Mediationsprozess geklärt, können und sollten aber im Verlauf immer wieder thematisiert werden. „Das Modell der Kulturdimensionen“[10] stellt eine weitere Möglichkeit dar, kulturelle Gruppen einzuteilen. Nach König haben sich vier Dimensionen in der Praxis bewährt:
So stehen in kollektivistischen Kulturen vor allem die Beziehungen und die „Störungen des entsprechenden sozialen Systems“[11] und somit Beziehungen im Vordergrund, während in individualistischen Kulturen vorrangig die „Spannungen zwischen Individuen“[11] gesehen werden. Daraus ergeben sich entsprechende Prioritäten für die Konfliktbearbeitung. Entweder sollen vorrangig Beziehungen oder das Problem bearbeitet werden. Hier setzen auch wieder die Unterschiede in den Konfliktkulturen an.
Bei der bloßen Betrachtung der Unterschiede besteht die Gefahr, diese nur der Kultur zuzuschreiben und sie zu stark zu betonen. Dadurch werden andere Ursachen nicht erkannt und es wird schwieriger, Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Daher ist es besonders wichtig, aus eventuellen kulturellen Unterschieden nur diejenigen herauszufiltern, die für den Konflikt auch tatsächlich relevant sind. So zum Beispiel sprachliche Unterschiede, die in jedem Falle überwunden werden müssen oder Unterschiede, die das Thema des Konfliktes bestimmen, wie beispielsweise auf religiöser Ebene.[9]
Durch kulturelle Unterschiede treten häufig Machtasymmetrien auf, die für die Konfliktmediation eine bedeutende Rolle spielen können. So ist beispielsweise meistens das System, in dem die Mediation stattfindet, in der überlegenen Position. Eine Überbetonung der eigenen Kultur kann gleichzeitig zu einer Abwertung der anderen führen. Wie schon Herodot feststellte, „sind die Menschen von der Meinung durchdrungen, die von ihnen selbst entwickelten Lebensformen seien jeweils die Besten“[12] Diese scheinbare „Normalität“[13] geht häufig mit einer Kränkung der Partei einher, welche einen niedrigeren Status besitzt.
Um diesen Asymmetrien entgegenzuwirken, sollte der Prozess von beiden Parteien gestaltet werden können und Machtasymmetrien benannt und ernst genommen werden.
Häufig ist Kultur nicht das „Konflikthafte“, sondern nur eine „Instrumentalisierung zur argumentativen Verteidigung eigentlich individueller Interessen“.[14] Der Hintergrund dessen lässt sich nach Fechler wiederum auf die ungleiche Machtverteilung zurückführen.
Problematisch ist daran, dass es schwierig ist, die wirkliche „Relevanz zu überprüfen“,[16] die Kultur in diesem Falle besitzt.
Aufgrund der Besonderheiten interkultureller Mediation, müssen Mediatorinnen und Mediatoren besondere Anforderungen erfüllen. Da die Wahrnehmung eines Konfliktes die Handlungen des Mediators beeinflusst, ist es besonders wichtig, dass dieser offen ist und eine „flexible Empathiefähigkeit“ besitzt.[6]
Weiterhin sollten sie eine gewisse „kulturelle Intelligenz“[17] besitzen, das heißt „Kenntnisse über die eigene und die anderen Kulturen“, sowie ein „Grundlegendes Bewusstsein … für kulturelle Prägungen und Differenzen“ besitzen. Dabei sollte dieses Wissen aber nicht verabsolutiert werden, da Kultur auch häufig instrumentalisiert wird.
Mediatoren sollten also über das „Was“ von Kultur hinausblicken und berücksichtigen, „wie“ über Kultur gesprochen wird und wie man sie nutzt. Dabei ist es wichtig, die Wertschätzung gegenüber dem Anderen deutlich zu machen und dessen Selbstbeschreibung und deren Bedeutung anstelle von scheinbarem Wissen zu verwenden. So wird eine Kulturalisierung vermieden.
Zudem sollten Mediatoren Machtasymmetrien ernst nehmen, deren „Auswirkungen auf interpersonaler Ebene“[18] vermutlich nur vermindert werden können.
Dazu gehören besonders, dass Erfahrungen „struktureller und individueller Diskriminierung“[19] anerkannt werden und der überlegenen Partei aufgezeigt wird, dass ihre Vorstellung von Normalität für das Gegenüber kränkend sein kann.
Zuletzt sollte die Mediation „kontextsensibel“ sein. Dazu gehört das Bewusstsein, dass die Rahmenbedingungen durch das „gastgebende[-] System“ festgelegt werden. Daher ist es wichtig, das „Bearbeitungsdesign“ gemeinsam auszuhandeln. So können Regeln und Gerechtigkeitsvorstellungen eingebracht werden und die Unparteilichkeit von Mediatoren in Frage gestellt und gegebenenfalls ein Mediator als Vertreter der unterlegenen Partei hinzugezogen werden. Zusätzlich kann es hilfreich sein, wenn der Mediator sich seiner Rolle bewusst ist und gegebenenfalls Ungleichgewichten in Form von „empowerment“[20] entgegenwirkt und Partei ergreift.